A little more conversation: Nur Mut zur strategischen Kommunikation

In How to Strategie?
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Wo sich Elvis mehr Ruhe erbeten hat, braucht Deutschland das genaue Gegenteil: mehr strategische Kommunikation. Denn StratKom stärkt die Resilienz in Demokratien und ihre Stimme auf globaler Ebene.

Wie konnte es passieren, dass Deutschland umfangreiche militärische und humanitäre Unterstützung an die Ukraine schickte, bei seinen Partnern aber als Bremser und Erbsenzähler dasteht? Hätte man die zahlreichen Waffenlieferungen frühzeitig und systematisch kommuniziert, wäre das deutsche außenpolitische Ansehen in der Welt heute vielleicht weniger geschunden.

Dass dies nicht geschah, liegt an Deutschlands Aversion gegenüber strategischer Kommunikation (StratKom). Manager:innen und Militärs schätzen schon lange Ansätze wie Tue Gutes und sprich darüber” und Winning hearts and minds“. Für die Nationale Sicherheitsstrategie (NSS) sollten sie Leitsprüche werden. Denn es reicht nicht, wenn die NSS nur die eigenen Interessen und außenpolitischen Prioritäten auf Papier bringt. Strategien sind in großen Teilen auch Kommunikation: Wie die eigene Bevölkerung und der Rest der Welt sie versteht, hängt stark davon ab, wie sie kommuniziert werden. Warum also fällt Deutschland StratKom so schwer? Und was ist StratKom eigentlich?

Kernpunkte:

  1. Demokratien müssen ihre Werte, Ziele und Standpunkte erklären, sonst versuchen ihre Gegner die Deutungshoheit über das politische Geschehen zu übernehmen.
  2. Die Nationale Sicherheitsstrategie braucht ein übergreifendes Narrativ, das ihre Ziele und Prioritäten in ein Gesamtbild einordnet.
  3. Damit die StratKom der Nationalen Sicherheitsstrategie erfolgreich ist, müssen Taten das Narrativ unterfüttern und glaubwürdige Multiplikator:innen ihre Ziele kommunizieren.

    StratKom and Its Discontents: Bestandteile und Schwierigkeiten 

    In deutschen Diskussionen wird StratKom oft stiefmütterlich behandelt. StratKom, das klingt nach berechnender Selektion von Informationen. Fast nach Propaganda und Irreführung. Mit dieser Einstellung läuft Deutschland jedoch Gefahr, die Deutungshoheit über die eigenen Ziele und Werte anti-demokratischen Staaten zu überlassen. Denn StratKom bedeutet nicht die zentrale Steuerung der gesamtstaatlichen Kommunikation durch ein Propagandaministerium. Stattdessen kommt es darauf an, die Prioritäten der Bundesregierung ressortübergreifend, konsistent und dauerhaft an Partner und Rivalen gleichermaßen zu kommunizieren.

    Dabei will StratKom auch mehr als nur Öffentlichkeitsarbeit. Diese begleitet politische Maßnahmen, während StratKom sie unterstützt. Wenn die neue NSS also ein starkes Signal aussendet, dass Deutschland seine Bündnispartner im Notfall militärisch verteidigen wird, sorgt dies idealerweise für Abschreckung, zumindest aber für Erwartungen bei Rivalen. Auch diese internationale Dimension unterscheidet StratKom von einfacher Öffentlichkeitsarbeit gegenüber der eigenen Bevölkerung. 

    Hilfreich ist außerdem ein Blick auf die NATO. Sie definiert StratKom als angemessene, rechtzeitige, sachlich richtige und reaktionsschnelle Kommunikation” über Ziele und Tätigkeiten. Das Spektrum der Handlungsoptionen ist dabei breit. Damit ist StratKom ein Instrumentenkasten an Maßnahmen und Möglichkeiten, für oder gegen deren Nutzung sich Staaten entscheiden können. In diesem Instrumentenkasten fallen unter StratKom neben der Bereitstellung von Informationen für die Bevölkerung auch Information Operations (Info Ops), die versuchen, den Willen, das Verständnis und die Fähigkeiten von Gegnern zur Unterstützung eigener Operationen, Missionen und Ziele” zu beeinflussen sowie Psychological Operations (PsyOps), die eine bestimmte Wahrnehmung, Einstellung oder Verhaltensweise bei Gegnern fördern sollen. 

    Besonders PsyOps sind dabei oft nur schwer mit den Werten von Demokratien zu vereinbaren. Demokratien werden zu Recht an höheren Standards gemessen als autoritäre Staaten oder nichtstaatliche Akteure. Beispiele der Vergangenheit, bei denen die USA, aber auch europäische Staaten, nicht im Einklang mit ihren proklamierten Werten handelten, führen bis heute regelmäßig zum Vorwurf der Doppelmoral. Das sollte jedoch nicht dazu führen, den Informationsraum komplett anderen zu überlassen.

    Kampf um die Deutungshoheit 

    Entscheidend ist vielmehr eine bewusste Abwägung, welche Instrumente der StratKom vertretbar und sinnvoll sind. Denn wenn Demokrat:innen nicht die eigenen Werte, Ziele und Standpunkte erklären, übernehmen das autoritäre Staaten — und schrecken dabei weder vor Desinformation noch vor Trollfabriken zurück. 

    Im Informationsraum gibt es nämlich kein Fair Play und die Grenze zwischen Krieg und Frieden verschwimmt. Feinde von Demokratien haben das schon lange erkannt und stärken ihre Kapazitäten der Informationskriegsführung. Sie versuchen, die Deutungshoheit über das politische Geschehen als Mittel für mehr weltweiten Einfluss einzusetzen. So trifft Russland, aber auch zunehmend China, mit anti-amerikanischen, anti-liberalen und anti-westlichen Narrativen einen Nerv, besonders im Globalen Süden. Dort verbreitet Moskau beispielsweise die Erzählung, dass westliche Sanktionen gegen Russland – und nicht etwa der Angriffskrieg gegen die Ukraine – der Hauptgrund für hohe Nahrungsmittelpreise seien oder dass alle Ukrainer:innen Nazis sind. Manche Narrative haften besser als andere, doch das Kalkül, Unsicherheit im Informationsraum zu schaffen, geht auf. 

    Auf das Level von Info Ops, PsyOps und Trollen müssen Demokratien aber auch gar nicht sinken, um Menschen trotzdem von ihren Werten zu überzeugen. Freie Gesellschaften brauchen faktentreue, sinnstiftende Narrative, mit denen sich Menschen identifizieren können. Die Ukraine hat gerade erst gezeigt, dass der Einsatz für Werte wie Freiheit durchaus Anklang findet. Auch andere Demokratien beweisen, dass sich Mut zu StratKom auszahlen kann: So nutzten die USA und ihre Partner noch vor Beginn des Krieges das sogenannte pre-bunking, als sie fast auf den Tag genau den russischen Angriffskrieg vorhersagten. Es stärkt die Resilienz von Demokratien, wenn strategisch kluge Kommunikation der Desinformation von anderen Akteuren den Nährboden entzieht. 


    » Freie Gesellschaften brauchen faktentreue, sinnstiftende Narrative, mit denen sich Menschen identifizieren können. «

    — Paula Köhler & Sophie Witte

    Dabei muss StratKom jedoch nicht nur auf die globalen Gegner ein Auge haben. In Demokratien betreibt auch die Opposition Kommunikation, die sich gegen die StratKom der Regierung richtet. Außerdem können befreundete Mächte versuchen, Deutschland durch ihre StratKom zu beeinflussen – wie der aktuelle deutsch-amerikanische Eiertanz um Panzerlieferungen in die Ukraine zeigt. Im Umgang mit diesem Dilemma ist Flexibilität und Kreativität gefragt. 

    Für die deutsche NSS würde es erstmal schon reichen, wenn Deutschland ein übergreifendes Narrativ findet. Ein Narrativ kann helfen, die verschiedenen Ziele und Prioritäten in ein Gesamtbild einzuordnen, Debatten zu starten und daran Maßnahmen zu messen. Gleichzeitig sendet es Signale an das internationale Umfeld über den Anspruch des jeweiligen Landes auf der internationalen Bühne. 

    Im Moment kochen die einzelnen Ministerien jedoch noch ihr eigenes Süppchen: Das Auswärtige Amt will sein Profil in globalen Debatten“ seit 2016 mit einem eigenen Bereich für StratKom schärfen, das Verteidigungsministerium stellt seinen Mitarbeiter:innen Social-Media-Guidelines bereit, um ein widerspruchsfreies Bild von der Bundeswehr zu unterstützen. Und Wirtschaftsminister Robert Habeck erklärt in durchaus gelungenen Instagram-Videos seine Politik. StratKom ist also in Ansätzen da, es fehlt nur an Koordination.

    Mehr Mut

    Deutschland sollte sich also mehr StratKom zutrauen. Dazu sind drei Aspekte unabdingbar. 

    Erstens ein übergreifendes Narrativ. Deutschland wird in der NSS seine eigenen Interessen, Ziele und Prioritäten definieren, zusammen mit der Rolle, die Deutschland in der Welt spielen möchte. Nach der Veröffentlichung kommt es darauf an, diese ressortübergreifend, kohärent, dauerhaft und crossmedial zu kommunizieren – sowohl gegenüber der eigenen Bevölkerung, aber vor allem international. Dabei ist eine kontroverse Debatte nicht negativ. Die deutsche NSS sollte deshalb ein eigenes, griffiges, übergreifendes Narrativ formulieren. 

    Zweitens die Harmonie von Worten und Taten. Die Rede von Bundeskanzler Olaf Scholz im Februar 2022 zur Zeitenwende hat große Erwartungen – und auch Begeisterung – geweckt: ein erster Schritt in Richtung erfolgreiche StratKom. Doch die schleppende Umsetzung des Sondervermögens führte schnell zu Ernüchterung und Kritik von Deutschlands Partnern. Ein Narrativ allein reicht also nicht, es muss auch mit Taten unterfüttert werden. Eine kohärente Erzählung, in welche die einzelnen Maßnahmen, Erfolge wie auch Fehlschläge, eingebettet werden, ist deshalb entscheidend für die Glaubwürdigkeit und Wirksamkeit deutscher Politik – sowohl gegenüber der eigenen Bevölkerung als auch im Ausland.


    » Strategische Kommunikator:innen, die in sozialen Medien oder bestimmten Bevölkerungsgruppen hohes Ansehen genießen, müssen mit ins Boot geholt werden. «

    — Paula Köhler & Sophie Witte

    Drittens glaubwürdige Multiplikator:innen. Für den Erfolg der NSS ist es wichtig, dass nicht nur die Regierung die darin formulierten Ziele kommuniziert. Strategische Kommunikator:innen, die zum Beispiel in sozialen Medien oder bestimmten Bevölkerungsgruppen hohes Ansehen genießen, müssen mit ins Boot geholt werden. Zum Beispiel bot das Weiße Haus zu Beginn des Ukrainekriegs ein Briefing für Influencer:innen von sozialen Medien an, damit diese Vorgänge in der Ukraine besser einordnen können. Deutschland hingegen fremdelt noch mit der Idee von allzu authentischer Kommunikation. Erst kürzlich startete das Deutsche Heer den Versuch, inoffizielle, aber beliebte Social-Media-Auftritte von Einheiten und Verbänden, in denen Soldat:innen freiwillig über ihren Alltag in der Truppe berichten, einzustampfen. Hier ist ein Umdenken gefragt. 

    Sobald die NSS veröffentlich ist, ist es also nicht an der Zeit sich zurückzulehnen. Die deutsche Politik sollte sich stattdessen darauf fokussieren, ein übergreifendes Narrativ für die NSS zu finden, Worte und Taten in Einklang zu bringen und glaubwürdige Multiplikator:innen an Bord zu holen. Nur Mut zur StratKom.


    Paula Köhler

    Policy Advisor, Münchner Sicherheitskonferenz

    Sophie Witte

    Junior Policy Advisor, Münchner Sicherheitskonferenz

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