„Bei einer voranschreitenden Erwärmung minimieren sich die noch verbleibenden Anpassungsmöglichkeiten rasant“
Menschen, deren landwirtschaftliche Erträge stark von Niederschlagsmustern abhängig sind, spüren die Auswirkungen des Klimawandels schon heute. Den Ländern, die diese Klimafolgen verursacht haben, kommt jetzt die Verantwortung zu, sie zu bewältigen.
Als Expertin für Klimafolgen und zivile Krisenprävention warnen Sie eindringlich vor dem bevorstehenden „Ökosystemkollaps“. Mit welchen Sicherheitsrisiken als unmittelbare Folgen des Klimawandels müssen wir in den nächsten Jahren rechnen?
Die globale Mitteltemperatur wird auf mindestens 1,5°C ansteigen, möglicherweise wird diese Grenze bereits in den kommenden Jahren erreicht. Dies zieht eine Reihe von Klimafolgen nach sich, wie etwa eine weitere Häufung von Extremwetterereignissen. Die Folgen des Klimawandels für die Landwirtschaft sind vielerorts bereits heute zu beobachten. Hunger und Verteilungskonflikte können die Folge sein. Besonders gravierend trifft es Regionen, in denen es keine modernen Bewässerungssysteme gibt und wo Erträge stark von den Niederschlagsmustern abhängig sind. Durch Klimafolgen ist die menschliche Sicherheit somit in verschiedenen Dimensionen bedroht: durch fehlenden Zugang zu Nahrung und Trinkwasser, dadurch einsetzende Vertreibungsdynamiken von Menschen, die diesen Zugang nicht haben oder auch aufgrund entstehender Konflikte über sich verknappende Ressourcen.
Was sollte Deutschland jetzt konkret tun, um diese Herausforderungen zu bewältigen?
Das Wichtigste ist, die eigenen Emissionen zu senken, um Krisen nicht weiter zu befeuern. Da die jährlichen Emissionen enorm hoch sind und CO2 eine lange Verweildauer in der Atmosphäre hat, läuft uns die Zeit davon, um die Erwärmung auf ein noch händelbares Maß zu beschränken. Bei einer voranschreitenden Erwärmung minimieren sich die noch verbleibenden Anpassungsmöglichkeiten rasant.
Darüber hinaus sollte Deutschland die Sicherheitsrisiken des Klimawandels immer wieder auf die Agenda setzen, beispielsweise international in UN-Institutionen oder auch im Rahmen der Nationalen Sicherheitsstrategie. Wesentlich ist, zukünftig die Sicherheitsrisiken der Klima- und Biodiversitätskrise stärker zusammen zu denken und regionale Analysen zu stärken.
Kernpunkte:
- Die Bundesregierung sollte sich für die Abschaffung fossiler Subventionen bis 2025 und den Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas einsetzen.
- Staaten, die signifikant zum globalen Treibhausgasausstoß beigetragen haben, sollten sich dafür einsetzen, Grenzen für Klimamigration zu öffnen.
- Die Politik sollte die erhöhte Einsatzfähigkeit des technischen Hilfswerks sowie die internationale Katastrophenhilfe der Bundeswehr für parallel auftretende Extremereignisse fördern.
Sie kritisieren die zu kurz greifenden Klimaschutzbemühungen Deutschlands und anderer Industriestaaten. Verhandlungen bei internationalen Klimakonferenzen scheinen festgefahren und es gibt wenig Fortschritt. Wo besteht Ihrer Meinung nach der größte Nachholbedarf für Deutschland und wie kann es zu konstruktiven Kompromissen beitragen?
Deutschland hat durch das Zuschalten von Kohlekraftwerken und die Vereinbarungen über langfristige Lieferverträge für Gasimporte Glaubwürdigkeit eingebüßt. Die Bundesregierung sollte sich für die Einhaltung der bereits gesetzten Ziele der G7 einsetzen, wie etwa der Abschaffung fossiler Subventionen bis 2025. Aus den Temperaturgrenzen des Pariser Klimaabkommens ergibt sich auch der Ausstieg aus allen fossilen Energien: Kohle, Öl und Gas. Somit braucht es eine Debatte über den Ausstieg aus Erdgas und Öl. Letzteres ist besonders relevant mit Hinblick auf die COP28, die in Dubai unter der Präsidentschaft des Ölkonzern Managers Sultan Ahmed al Dschabir stattfinden soll.
In Ihrer Forschung haben Sie mit Betroffenen gesprochen, denen Dürre, Stürme und steigende Meeresspiegel die Lebensgrundlage entzogen. Welches Konfliktpotenzial birgt Klimamigration? Welche präventiven Maßnahmen und sinnvolles akutes Krisenmanagement gibt es?
Migration im Kontext des Klimawandels muss nicht zwingend ein Sicherheitsrisiko bedeuten. Im Gegenteil: Wird Migration aktiv verhindert, können Sicherheitsrisiken wachsen. Allerdings können Vertreibungen großes menschliches Leid auslösen, das es zu verhindern gilt. Um dem entgegenzuwirken, braucht es einen großen Strauß von Lösungen. Der Großteil der Klimamigration verläuft innerhalb von Landesgrenzen, ist also eine Binnenmigration. Deswegen müssen Kapazitäten in Städten und Kommunen gestärkt werden, um ankommende Personen adäquat in die Ankunftsorte aufnehmen zu können. Dazu gehört die Notversorgung, aber mittelfristig gilt es auch Ausbildungsmöglichkeiten zu eröffnen, da viele Menschen längerfristig von ihren Ursprungsorten entfernt bleiben. Diejenigen, die unmittelbar von Klimafolgen betroffen sind, wie etwa Kleinbauern und Bäuerinnen, haben mit ihren Fähigkeiten kaum Chancen auf urbanen Arbeitsmärkten. Hier bedarf es Unterstützung und Trainings. International müssen zudem Diskussionen fortgesetzt werden, um Anpassungsmaßnahmen auf eine bessere finanzielle Grundlage zu stellen. Zudem sollten Vorkehrungen getroffen werden, um sichere Migrationswege auch über Grenzen hinweg zu öffnen, sollte es zu einer Überschreitung der 1,5°C Grenze kommen. Dies voranzutreiben ist insbesondere Aufgabe der Staaten, die signifikant (≥ 2%) zum globalen Treibhausgasausstoß beigetragen haben.
» Klimamigration muss nicht zwingend ein Sicherheitsrisiko bedeuten. Im Gegenteil: Wird Migration aktiv verhindert, können Sicherheitsrisiken wachsen. «
Sie sprechen sich für den Ausbau der internationalen Katastrophenhilfe aus. Wie sollte Deutschlands Engagement in diesem Bereich aussehen und welche Weichen kann die Nationale Sicherheitsstrategie dafür stellen?
Es gilt den internationalen Austausch beim Katastrophenschutz zu stärken, auch auf subnationaler Ebene, um Risiken schon präventiv zu minimieren. Die Einsatzfähigkeit des technischen Hilfswerks sowie die internationale Katastrophenhilfe der Bundeswehr sollte für verschiedene Szenarien parallel auftretender Extremereignisse weiter erhöht werden. Dabei geht es insbesondere um Hilfe in akuten Notlagen, während für längerfristige Aufgaben des Wiederaufbaus die Entwicklungshilfe zuständig ist. Auch national müssen Bund und Länder ihre Kapazitäten erweitern und die Katastrophenvorsorge auch durch mehr Sensibilisierung in der Bevölkerung stärken. Der Nationalen Sicherheitsstrategie kommt dabei eine wichtige Rolle zu. Sie sollte nicht zuletzt auch den Blick darauf richten, dass der Sicherheitssektor emissionsneutral werden muss.
Kira Vinke
Leiterin des Zentrums für Klima und Außenpolitik, Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP)
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