Sicher leben
Photo: Thomas Trutschel /Getty Images
Wie kann die Bundesregierung die Sicherheit der Menschen in unserem Land garantieren? Zur Diskussion über diese Frage lädt 49security deutsche und internationale Expert:innen ein. Denn: Unsere Nationale Sicherheitsstrategie müssen wir gemeinsam gestalten.
Seit dem 24. Februar ist unsere Welt eine andere. Wir erleben, dass Russland ein Land in unserer unmittelbaren Nachbarschaft brutal überfällt. Wir sehen täglich die Bilder zerbombter Städte in der Ukraine. Zehntausende hat der Krieg bereits getötet – und Millionen Ukrainerinnen und Ukrainer aus ihrer Heimat vertrieben. Dieser Krieg hat unserer nach 1989 errichteten europäischen Sicherheitsarchitektur einen schweren Schlag versetzt.
Spätestens jetzt ist klar: Dass wir in Deutschland sicher leben, ist nicht selbstverständlich.
Sicherheitspolitik war nie etwas, dass nur in Think Tanks und unter Politikerinnen und Politikern diskutiert wurde. Aber stärker als zuvor hat diese Debatte die Mitte unserer Gesellschaft erreicht. Bürgerinnen und Bürger in Deutschland machen sich Sorgen, wie lange der Krieg in unserer direkten Nachbarschaft noch dauert. Und unsere Kinder fragen uns, was Atomwaffen sind.
Aber wir leben in einer Welt, in der nicht nur Russlands Aggressionen uns gefährden. Im letzten Jahr sind über 180 Menschen bei der Flutkatastrophe in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen ums Leben gekommen. Weit über hunderttausend Menschen sind seit Beginn der Pandemie mit Corona verstorben. Eine steigende Inflation mit immer teureren Lebensmitteln weckt bei vielen in unserem Land existenzielle Ängste. Und in den kommenden Monaten werden wir heftige Debatten darüber erleben, was wir tun können, falls es bei unserer Gasversorgung zu Engpässen kommt oder die Energiepreise weiter stark steigen.
Die Bundesregierung wird bis Jahresende eine „Nationale Sicherheitsstrategie“ erarbeiten – ein Schlüsseldokument um die Sicherheit der Menschen in unserem Land zu garantieren – die Sicherheit der Freiheit unseres Lebens. Dabei geht es zu aller erst um Schutz vor Gewalt und Krieg. Putins Truppen zeigen, wie aktuell diese Gefahr ist. Zweitens zeigt die Weltlage aber auch, dass die Abwesenheit von Krieg nicht gleich Freiheit und Sicherheit bedeutet. Daher geht es auch darum, Demokratie und Freiheit zu sichern. Die Art, wie wir leben und unsere Werte zu verteidigen: Gegen Desinformationskampagnen, die unsere Gesellschaft spalten und unsere demokratischen Institutionen untergraben. Und drittens geht es um die Frage, wie wir unsere Lebensgrundlagen in Zukunft sichern. Wir müssen uns dagegen schützen, dass die Klimakrise unsere Ernten zerstört, dass globale Lieferketten wegbrechen, dass die Energiekrise unsere Bürgerinnen und Bürger am Heizen hindert und die Produktion deutscher Firmen lahmlegt.
Eines steht dabei für mich fest: Wir werden in dieser Welt nur mit unseren internationalen Partnerinnen und Partnern bestehen können. Nichts hat uns in Deutschland mehr Sicherheit gebracht als die europäische Einigung und die transatlantische Partnerschaft. Deswegen wird unsere Sicherheitsstrategie fest in der Europäischen Union und der NATO verankert sein. Wir werden Antworten darauf geben, wie wir gemeinsam auf Bedrohungen reagieren und wie wir die regelbasierte internationale Ordnung verteidigen. Dafür werden wir vorhandene Partnerschaften stärken und neue schmieden. Und natürlich beziehen wir unsere Verbündeten in unsere Überlegungen mit ein.
Der Maßstab ist für mich, Sicherheit für die Zukunft zu denken, Wehrhaftigkeit auf der Höhe der Zeit zu definieren – und nicht auf der Höhe vergangener Jahrzehnte. Das heißt vor allem, dass wir eine Zukunftsvision von Sicherheit entwickeln, die jene schützt, die im Zentrum unserer Politik stehen: Die Menschen in unserem Land. Denn es geht um menschliche Sicherheit. Deswegen habe ich im März dieses Jahres den Startschuss gegeben für einen umfangreichen Dialogprozess auf dem Weg zur Nationalen Sicherheitsstrategie. Wir führen ihn zwischen den Ressorts der Bundesregierung, genauso wie mit den Abgeordneten des Bundestags und den Mitgliedern des Bundesrats – aber vor allem mit Bürgerinnen und Bürgern in ganz Deutschland.
» Der Maßstab ist für mich, Sicherheit für die Zukunft zu denken, Wehrhaftigkeit auf der Höhe der Zeit zu definieren – und nicht auf der Höhe vergangener Jahrzehnte. «
Denn Entscheidungen über unsere Sicherheit werden auch in Kommunen, Universitäten und Unternehmen in allen Ecken unseres Landes getroffen. Wo wir unser Gas kaufen, mit wem wir Forschungskooperationen eingehen, wie wir unsere Krankenhäuser vor Hacker-Angriffen schützen – wir haben zu lange ausgeblendet, dass all das unsere Sicherheit betrifft. Wir müssen gemeinsam lernen, unsere Sicherheit bei diesen Entscheidungen mitzudenken. Darüber wollen wir eine offene, kritische Diskussion führen – mit Bürgerinnen und Bürgern und mit Vertreterinnen und Vertreter aus Wissenschaft, Think Tanks und Zivilgesellschaft.
Deshalb ist dieses Blog eine Einladung an deutsche und internationale Expertinnen und Experten: Bitte bringen Sie sich ein – mit Ihren Ideen und Impulsen, mit Ihrer Kritik und klaren Worten. Denn unsere Nationale Sicherheitsstrategie soll die gesamte Gesellschaft einbinden und auf einer analytisch breiten Grundlage stehen.
» Deshalb ist dieses Blog eine Einladung an deutsche und internationale Expertinnen und Experten: Bitte bringen Sie sich ein – mit Ihren Ideen und Impulsen, mit Ihrer Kritik und klaren Worten. «
Wie die künftige deutsche Sicherheitspolitik konkret aussehen soll, welche Prioritäten wir bei unserer Politik setzen sollten und wie die Menschen auch in Zukunft frei und sicher in diesem Land leben können: Darüber werden wir an dieser Stelle in den kommenden Monaten Artikel von verschiedenen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern lesen. Ich freue mich auf Ihre Beiträge! Denn es geht hier um unser aller Sicherheit – die unserer Kinder, Enkelkinder und folgender Generationen. Es geht darum, dass sie alle zukünftig in Deutschland in Frieden, Freiheit und Wohlstand leben. Nichts Geringeres bedeuten die Aufgaben vor uns – packen wir sie gemeinsam an.
Annalena Baerbock
Bundesaußenministerin
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