Fairness und Transparenz im Wissenschaftsaustausch mit China
(Loic Fürhoff/Unsplash)
Trotz Herausforderungen des ‚Dual-Use‘ von Forschungsergebnissen und gefährlichen Asymmetrien profitieren wir von der wissenschaftlichen Zusammenarbeit mit China. Warum sich Deutschland für die eigenen Interessen einsetzen sollte, um eine Win-Win-Beziehung zu schaffen.
Die Pandemie und der Ukrainekrieg lassen eine Abkehr von der Globalisierung und eine Hinwendung zu verlässlichen Partnern als das Gebot der Stunde erscheinen. Putins Gasboykott zeigt: Deutschland muss unabhängiger werden von Ländern, die nicht dieselben Werte teilen, sonst ist es erpressbar. Gilt dies aber nur für die wirtschaftliche, oder auch für die wissenschaftliche Vernetzung? Die Frage stellt sich gerade im Fall von China, das sich als Systemkonkurrent versteht und dessen offizielle Strategie die globale Dominanz auch in der Wissenschaft ist. Sie verlangt eine nüchterne Analyse – auch der eigenen Interessen.
Asymmetrien vermeiden
Junge chinesische Forschende zieht es gezielt und in großer Zahl dorthin ins Ausland, von wo sie Wissen mit nach Hause nehmen können. Das entspricht aus individueller Perspektive der Logik wissenschaftlicher Karrieren. Für Chinas Führung ist es aber auch strategisch eine Selbstverständlichkeit, konsequent auf den eigenen Vorteil zu achten. So fragt es sich: Ist es allein der Wunsch der jungen Forschenden, für die Materialwissenschaft und Werkstofftechnik oder für die Grundlagenforschung in den Lebenswissenschaften nach Deutschland zu kommen? Warum haben wir offenbar deutlich weniger Kooperationen in einem Feld wie der Nachrichtentechnik? Dort ist China selbst an der Spitze. Man darf sich fragen, ob die europäische Abhängigkeit von chinesischer Kommunikationstechnik heute geringer wäre, wenn Deutschland in diesem Feld selbst „chinesisch gedacht“ hätte, um beizeiten gemeinsames Wissen zu erarbeiten. Und vielleicht wären beide Länder in dieser Kooperation gemeinsam weitergekommen, als es China alleine bis heute gelang.
So könnte die wissenschaftliche Zusammenarbeit helfen, den Aufbau und Erhalt kritischer Infrastrukturen vor Abhängigkeiten zu schützen. Dies spielt genauso eine wichtige Rolle bei den Arbeiten an einer Nationalen Sicherheitsstrategie, wie die Verhandlung technischer Normen und Standards für neue Technologien. Auch hier kann ein fairer und eigene Interessen beachtender Wissenschaftsaustausch einen Beitrag leisten.
Kernpunkte:
- Die deutsche Wissenschaftspolitik sollte durch kontinuierliches Monitoring der Beziehungen zu China schädliche Asymmetrien und militärische Anwendung von gemeinsamen Forschungsergebnissen verhindern.
- Deutschland profitiert wirtschaftlich und technologisch von der Vernetzung mit China und sollte daher Kooperationen ausbauen.
Die deutsche Wissenschaftspolitik braucht ein kontinuierliches Monitoring der Beziehungen mit China und nötigenfalls strategische Schritte, um schädliche Asymmetrien zu vermeiden. Ein solches Monitoring und der Wissensaustausch zwischen den Forschungseinrichtungen hierzulande würde auch helfen, Forschung mit „Dual Use“-Potential auszuschließen, also Forschung, die auch militärischer Anwendung dienen kann oder der Überwachung und Unterdrückung Andersdenkender. Das Eintreten für Datenschutz und eine menschzentrierte, also dem Wohl des Menschen dienende KI sollte als deutsche und europäische Gegenposition nicht nur aus Prinzip hochgehalten werden. Es geht auch darum, wirtschaftliche Abhängigkeiten auf diesem wichtigen und sicherheitsrelevanten Feld zur vermeiden beziehungsweise abzubauen.
Das Ziel unseres wissenschaftlichen Austauschs mit China sind faire Win-Win-Beziehungen. Dazu gehört unbedingt das Einhalten von Standards wie Transparenz und fairer Umgang mit Daten und geistigem Eigentum. Hier gibt es noch viel zu tun. Aktuell macht beispielsweise das chinesische Recht die Ausfuhr von „wichtigen“ Daten staatlicher Forschungseinrichtungen von einer Genehmigung abhängig. Das betrifft in der Praxis oft Daten, die in gemeinsamen Projekten gesammelt wurden. Aus Interesse an einer fairen Partnerschaft auf Augenhöhe müsste die chinesische Regierung für Rechtssicherheit und Transparenz sorgen. Deutschland muss in Fällen wie diesen seine Interessen klar vertreten.
Vernetzung ausbauen
Die Hochschulrektorenkonferenz hat in ihren Leitfragen zur Hochschulkooperation mit China sinnvolle Vorschläge zur wertegeleiteten, fairen Zusammenarbeit gemacht. Sie gilt es umzusetzen.
Auf dieser Basis aber sollte die Vernetzung mit China nicht eingeschränkt, sondern ausgebaut werden. Denn eine Beschränkung der Forschungszusammenarbeit auf „befreundete“ Länder wäre ein Isolationismus, der uns schnell schaden würde. Von einer fairen Zusammenarbeit aber werden beide Länder profitieren – technologisch, wirtschaftlich, und für die Bewältigung der globalen Krisen des Klimas und der Gesundheit. Ohne China wird dies nicht gelingen.
» Eine Beschränkung der Forschungszusammenarbeit auf „befreundete“ Länder wäre ein Isolationismus, der uns schnell schaden würde. «
Hierfür brauchen wir Investitionen in den Wissenschaftsaustausch. Denn als Kollateralnutzen schafft er Verbindungen, die Vertrauen und gegenseitiges Verständnis fördern, das so nötig ist, um Konflikte zu vermeiden oder sie konstruktiv auszutragen. Verbindungen, die auch weltweit dringend weiter gestärkt und ausgebaut werden müssen, um unser Netzwerk mit Partnern zu vergrößern, die sich den gleichen Werten verpflichtet fühlen oder die noch unentschieden sind, wem sie sich anschließen sollen. Wissenschaftsdiplomatie sollte auch in diesem strategischen Sinne als Teil einer nationalen Sicherheitsstrategie mitbedacht und genutzt werden.
Dieser Artikel ist in einer kürzeren Version erstmals auf ZEIT Online am 02. November 2022 erschienen: https://www.zeit.de/2022/45/china-dominanz-wissenschaft-zusammenarbeit
Enno Aufderheide
Generalsekretär, Alexander von Humboldt-Stiftung
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